Nachhaltige Energieversorgung made in Europe: Ein Gespräch mit Dr. Stefan Permien von UniverCell
Das 2019 gegründete Unternehmen UniverCell Holding GmbH (nachfolgend UniverCell) betreibt in Flintbek eine der größten europäischen Elektroden- und Batteriezellenproduktionen – maßgefertigt, für innovative Premiumanwendungen. Mit Expertise in den Fachbereichen Chemie, Verfahrenstechnik und Technologie konzentriert UniverCell sich auf Spezialanfertigungen auf allen Märkten, wie beispielsweise erneuerbaren Energien, elektrischem Fliegen, Robotik, Medizinprodukten, Baustellenausrüstungen sowie maritimen Anwendungen und agiert damit abseits der gegenwärtig primär fokussierten Automobilbranche. Vor dem Hintergrund des übergeordneten Ziels nachhaltiger Energieversorgung sowie –speicherung und der damit verbundenen ressourcenschonenden Produktionsprozesse möchte UniverCell, regional verankert, richtungsgebender Marktteilnehmer im Bereich der umweltschonenden Batterieproduktion made in Europe werden.
Das Enterprise Europe Network (EEN) HH/SH hat mit dem CEO und Gründer Dr. Stefan Permien unter anderem über die grundlegende Motivation hinter der Firmengründung, der Unternehmensverantwortung und die vielseitigen Aspekte von Nachhaltigkeit gesprochen.
Welche Aspekte haben Ihre Produktidee und die Unternehmensgründung ausschlaggebend initial motiviert und beeinflusst?
Die Unternehmensgründung selber basiert auf einem window of opportunity, welches wir ganz klar in dem riesigen Batteriemarkt sehen, der zurzeit entsteht und wächst. Im Zusammenhang mit Batterien steht natürlich der Automobilmarkt im Rahmen der Transformation von den Verbrennungs- auf die Elektromotoren im Fokus. Da sich der Markt zurzeit immer stärker auf das Elektroauto konzentriert, werden viele weitere Anwendungen, die heute schon mit Lithium-Ionen-Batterien funktionieren, vernachlässigt. Die jeweiligen Märkte sind dementsprechend kleiner und es ist verhältnismäßig unattraktiv für die großen Konzerne in diese Bereiche einzusteigen, welche dann letztendlich mehrheitlich durch Fertigungen aus China bedient werden. Mit Hilfe von Kohlestrom hergestellte Batterien aus China sind mit dem Nachhaltigkeitsgedanken nicht wirklich vereinbar. UniverCell fokussiert sich somit als europäischer Hersteller für Batteriezellen auf Märkte für diese Spezialanwendungen, einschließlich des entsprechenden Nachhaltigkeitsgedankens, indem wir die Welt durch innovative, erneuerbare Energien versorgen wollen – das setzt sich zu einem schönen Gesamtkonzept zusammen und bildet die Grundidee, die uns zur Unternehmensgründung motiviert hat.
Ein weiterer Aspekt ist in diesem Zusammenhang der gegenwärtige Zeitpunkt, der gerade genau richtig ist: Der Markt soll vergleichbar einer e-Funktion wachsen und wir befinden uns in dieser e-Funktion relativ weit unten. Die Wachstumsraten sind aktuell somit hoch und nach oben ausgerichtet. Das hilft natürlich auch gerade einem Newcomer, einem Start-Up wie UniverCell, in den Markt einzusteigen.
Welchen Stellenwert hat das Thema Nachhaltigkeit von Gründungsbeginn an und dann im weiteren Verlauf Ihrer Unternehmensentwicklung eingenommen?
Letztendlich liefert UniverCell ein Produkt, das zur Nachhaltigkeit beiträgt. Die Nutzung von erneuerbaren Energien soll grundsätzlich stetig dahingehend ausgebaut werden, dass langfristig im besten Fall ausschließlich erneuerbare Energiequellen genutzt werden. Wir wissen jedoch auch alle, dass diese hoch volatil sind und starken Schwankungen unterliegen. Hier sehen wir unsere Lithium-Ionen-Batterien als Schlüsseltechnologie, um einen Beitrag für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien zu leisten. Da Windkraftanlagen keinen konstanten Strom liefern, braucht man an vielen Stellen Akkus und Batteriespeicher als Puffer, um Spitzen abzufangen und Täler auszugleichen. Hier dient unser Produkt wirklich als Schlüssel, um die erneuerbare Energieversorgung weiter auszubauen, einschließlich des Aspektes Nachhaltigkeit, der über allem steht.
Wie ist der Kontakt zum EEN HH/SH entstanden und welche Motivation unterlag Ihrer bewussten Teilnahme an dem vom EEN angebotenen Nachhaltigkeitscheck sowie dem damit verbundenen Prozess der umweltpolitischen Selbstreflektion?
Die Kollegen*innen des Nachhaltigkeitschecks sind über einen Bericht in dem Magazin der IHK auf UniverCell aufmerksam geworden, fanden das Unternehmen sehr interessant und haben daraufhin Kontakt zu uns aufgenommen. Da wir uns nach vier Jahren erst am Anfang unserer Reise befinden, ist es für uns eine schöne Situation gewesen, in diesem wirklich frühen Stadium direkt Expertinnen hinzuziehen zu können, um uns Tipps und Tricks für direkte sowie langfristige Verbesserungen mit Blick auf die nachhaltige Unternehmensaufstellung aufzeigen zu lassen. In unserer jungen Unternehmensentwicklung sind viele Abläufe ja noch relativ einfach zu verändern, im Gegensatz zu Konzernen, die bereits deutlich länger existieren und bei denen jeder Prozess schon fest eingeschliffen ist.
Durch sowohl das Initial- als auch das Fazitgespräch im Nachgang haben wir schon einiges gelernt und gemerkt, dass nicht nur die von unserem Produkt oder unseren Produktionsprozessen ausgehende Nachhaltigkeit relevant ist, sondern dass hiermit noch viel mehr verbunden ist. In diesem Zusammenhang haben wir festgestellt, dass Nachhaltigkeit auch ganz „einfache“ Aspekte umfasst, wie beispielsweise die lokalen Kontakte hier im Gewerbegebiet zu unseren Nachbarn. An dieser Stelle haben wir anfangen, intensivere Kontakte zu knüpfen und beispielsweise zu schauen, welche unterschiedlichen Bedürfnisse vorherrschen und auf welche Weise man Abläufe gemeinschaftlich vereinfachen kann. Die Tipps setzen wir alle nach und nach schon aktiv um. Beispielsweise arbeiten wir aktuell an einem kleinen gemeinsamen Schild, auf dem alle hier angesiedelten Firmen vorgestellt werden. Manchmal kann Nachhaltigkeit schon etwas vermeintlich ganz Kleines sein.
An welchen EU-Förderprogrammen haben Sie bisher teilgenommen, wie waren ihre Erfahrungen mit den organisatorischen, administrativen Abläufen und welche Art der Unterstützung würden Sie sich in diesem Bereich im Idealfall noch wünschen?
Wir sind zurzeit an einem unter Eurostars geförderten spannenden Projekt beteiligt, das sich mit der Weiterentwicklung von Zellen und der Steigerung der Energiekapazitäten beschäftigt. Im Rahmen eines Drohnenprojektes wird daran gearbeitet, bei gleichem Bauumfang und Gewicht mehr Energie pro Zelle zu erreichen. Die Bürokratie ist insgesamt in der EU definitiv relativ hoch. Projekte zu akquirieren und Förderprojekte einzureichen ist in der Regel leider mit einem relativ hohen administrativen Aufwand verbunden. In dieser Hinsicht hoffen wir natürlich, dass dieser in Zukunft besonders auch für junge Unternehmen runtergesetzt wird.
Am 17. August ist die neue Batterieverordnung der Europäischen Kommission in Kraft getreten, mit der die Nachhaltigkeitsvorschriften für Batterien und Altbatterien verschärft werden. Die Verordnung wird den gesamten Lebenszyklus einer Batterie – von der Herstellung bis zur Wiederverwendung und zum Recycling – regeln und sicherstellen, dass die Batterien sicher, nachhaltig und wettbewerbsfähig sind. Welche direkten Auswirkungen sehen Sie für die Produktion von UniverCell und wie stellen Sie sich auf die Umsetzung der Verordnung zum jetzigen Zeitpunkt schon ein?
Wir beschäftigen uns auch mit dem Thema Recycling schon seit vielen Jahren und sehen dies als essenzielles Teilstück für eine nachhaltige Produktion im Batteriemarkt. Man muss sich das folgendermaßen vorstellen: Bei der Produktion einer Batteriezelle entsteht in jeder Zwischenstufe auf dem Weg zum fertigen Produkt Abnahmematerial für den Recycler. Diese Zwischenprodukte sind gutes Übungsmaterial und insofern ist eine Kooperation sowohl für den Recycler als auch für uns ideal, weil beide Seiten unheimlich viel lernen können, unter anderen auch mit Blick darauf, wie man Produktionsabfälle letztendlich schneller und einfacher wiederverwerten kann. Da wir schon seit vielen Jahren diese genannten Anknüpfungspunkte verfolgen, freuen wir uns, dass die neue Verordnung jetzt beschlossen worden ist und sind ebenso auf die Umsetzung gespannt. Es bleibt abzuwarten, wie das Gesetz dann letztendlich wirkt und wie man günstige, von der Verordnung nicht betroffene Zellen, die beispielsweise über die riesigen, auch asiatischen Plattformen weltweit bestellbar sind, daran hindert, auf den europäischen Markt zu kommen. Nichtsdestotrotz ist es der richtige erste Schritt und wir freuen uns natürlich, wenn innerhalb der EU alle an einem Strang ziehen, wenn die Verbraucherinnen und Verbraucher das entsprechende Bewusstsein mehr und mehr entwickeln und wir dann letztendlich wirklich sagen können, dass Batterien grüner sind als das heute noch der Fall ist.
Bis 2030 plant die Europäische Union im Rahmen des Europäischen Green Deal und des hierfür unter anderem verabschiedeten „Fit für 55“-Gesetzespakets die CO2-Nettoemissionen um 55 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Wo sehen Sie UniverCell dann zu diesem Zeitpunkt, gut zehn Jahre nach der Unternehmensgründung, mit Blick sowohl auf internationale Wettbewerbsfähigkeit als auch unternehmerische Verantwortung?
Als noch recht junges Unternehmen konzentrieren wir uns eher auf Zeiträume bis 2027/2028, um die typischen fünf Jahre herum. Grundsätzlich wollen wir natürlich wachsen. Wie schon angesprochen, existiert aktuell ein sehr wachstumsstarker Markt, in dem wir ein Player sind – nicht innerhalb des Massenmarktes für Automobil, aber für alle anderen Anwendungen, für die spezielle Zellen gebraucht werden. Hier möchten wir einen relevanten Marktanteil haben, besonders in Europa. Ein Teil unserer Kunden kommt schon heute auch aus den USA. Eine Expansion in Richtung Nordamerika ist somit ebenfalls vorstellbar, wenn man 10 Jahre nach vorne denkt. Batteriespeicher werden sowohl industriell in unzähligen Bereichen für den weiteren Ausbau von Wind- und Solarparks als auch in den privaten Haushalten, in denen es zukünftig wahrscheinlich mehr und mehr Autarkie geben wird, kontinuierlich nachgefragt. Der großflächige Ausbau von Solaranlagen auf Dächern von Privathaushalten beispielsweise macht nur Sinn, wenn dies mit entsprechenden Aufnahmekapazitäten kombiniert wird. Grundsätzlich müssen Speicher mehr und mehr in das gesamte Ökosystem integriert werden, um diese volatilen Energien zu nutzen, und somit sehen wir den Bedarf an Speichern an vielen Ecken und möchten hier einen relevanten Beitrag leisten.
Ein anderer grundsätzlicher Aspekt betrifft die Frage, wie man auch die Produktion verbessern kann. Gegenwärtig schon betreiben wir Projekte, in denen wir Methoden erarbeiten, um den hohen Energieverbrauch bereits bei der Herstellung von Zellen schrittweise, schlussendlich um 20 bis 35 %, zu minimieren. Hierbei sind wir dann also nicht nur Schlüssel als Produkt, sondern machen uns auch Gedanken, wie unser Produkt an sich mit weniger Energie hergestellt werden kann.
Bild: UniverCell 2023