Internationalisierung und der unersetzbare Mehrwert von persönlichen Kontakten: Eine Unterhaltung mit Tilo Stolzke von sananet
Die 2000 für den Gesundheitsmarkt gegründete Unternehmensberatung sananet ist exklusiv auf den Bereich der Medizintechnik, einschließlich der angrenzenden Bereiche Biotechnologie, Life Science und Health-IT, spezialisiert. Neben der Geschäftsplanung und Marktanalyse liegen das klar definierte Ziel und der Schwerpunkt von sananet darauf, neu gegründete und wachsende medizinische Unternehmen aus aller Welt beim erfolgreichen Marktzugang in Europa, vor allem in der Kernregion des deutschsprachigen Raums, zu unterstützen und erfolgreich nach Vertriebs- sowie strategischen Partnern für neue innovative Produkte zu suchen. Neben dem israelischen Wirtschaftsministerium, dem IEI der Außenhandelsverwaltung und den lokalen Handelsbüros gehören auch die taiwanesische Wirtschaftsförderung Taitra und zahlreiche Unternehmen, beispielsweise aus Frankreich, Italien und Übersee, zum Kundenstamm und werden von sananet bei der Suche nach Händlern und Vertriebskanälen in Deutschland erfolgreich begleitet.
Das Enterprise Europe Network (EEN) HH/SH hat mit dem Inhaber und Geschäftsführer von sananet Tilo Stolzke unter anderem über die langjährig konstante, sehr zielgerichtete Internationalisierung seines Unternehmens, die Netzwerkangebote des EEN und den unersetzbaren Mehrwert von persönlichen Kontakten für die erfolgreiche Unternehmenserweiterung, besonders im internationalen Raum, gesprochen.
Welche grundlegende Zielvorstellung steht im Zentrum der sananet GmbH und welcher Aspekt hat die Produktidee und Unternehmensgründung initial motiviert und beeinflusst?
Die grundlegende Zielvorstellung ist es, für unsere Kunden einen messbaren wirtschaftlichen Vorteil zu schaffen, der deutlich höher ist als unser Beratungshonorar. Als Unternehmensberatung muss man immer wieder neue Kunden akquirieren, da man sich, sobald man in den Projekten Erfolg hat, ab einem bestimmten Zeitpunkt selbst überflüssig macht.
Die grundsätzliche Zielsetzung unserer Arbeit besteht aus zwei zentralen Aspekten: Auf der einen Seite muss das Beratungsprodukt „anfassbar“ sein, das heißt der Kunde muss genau verstehen, was er bekommt. Hier haben wir im Verlauf unseres 23-jährigen Bestehens inzwischen eine Reihe genau definierter Produkte entwickelt. Kern der Beratung ist immer eine ausländische Medizintechnikfirma auf den europäischen und dort vor allem auf den deutschsprachigen Markt zu bringen. Um das erfolgreich machen zu können, muss man den Bedarf jeder Firma, abhängig davon in welchem Stadium sie sich befindet (d.h. sei es ein Start-Up oder eine mittelständische Firma, die bereits viel Exportgeschäft macht), herausarbeiten und darauf aufbauend eine Strategie entwickeln. Wenn wir eine Markteinführungsstrategie, eine Marktanalyse, den Kontakt zu Meinungsbildnern und einen Plan zur Kostenerstattung über die Krankenkassen erarbeitet haben, suchen wir für das Unternehmen Händler oder strategische Partner.
Bei der von uns angebotenen Beratungsleistung bieten wir somit immer ganz klar definierte Schritte, um dem Kunden den erfolgreichen Marktzugang zu ermöglichen und alle damit verbundenen essentiellen Informationen bereitzustellen. Das ist bei Beratungsangeboten nicht immer selbstverständlich.
Auf der anderen Seite muss man einen Weg schaffen, kontinuierlich Anfragen zu generieren, ohne dass zu viel Kaltakquise erforderlich ist. Hier helfen die Aufträge und Kontakte von Wirtschaftsförderungen enorm. Diese Projekte laufen oft über viele Jahre und man kommt mit zahlreichen Medizintechnik- und Life Science-Firmen aus den jeweiligen Ländern in Kontakt.
Welchen Stellenwert hat das Thema Internationalisierung und internationale Vernetzung von Gründungsbeginn an und dann im weiteren Verlauf Ihrer Unternehmensentwicklung eingenommen? Anhand welcher Aspekte wird die Thematik beispielsweise zu einem greifbaren Teil der Unternehmenskultur?
sananet besteht seit 2000. Insofern können wir natürlich auf eine längere Entwicklung zurückblicken. Schon früher hatten wir viele Kunden aus dem Ausland. Ausländische Firmen beim Marktzugang in Deutschland zu unterstützen war schon immer Teil des Geschäfts von sananet, prozentual haben wir früher allerdings deutlich mehr deutsche Firmen beraten. Inzwischen machen wir ¾ des Umsatzes im Ausland. Der Durchbruch war 2014. Seit diesem Zeitpunkt beraten wir Wirtschaftsförderungen. Begonnen hat diese Entwicklung mit dem Staat Israel, eher zufällig mit einem Anruf der israelischen Botschaft in Berlin, in dem unsere Unterstützung bei einem ganzjährigen business development-Projekt angefragt wurde, das mit der MEDICA-Messe im November enden sollte. In diesem Rahmen war es vorgesehen, dass wir dort für einige israelische Firmen - letztendlich waren es 40 - business matchmaking organisieren. Ich bin dann nach Berlin gefahren, habe mit den verantwortlichen Kontaktpersonen gesprochen, den Auftrag für sananet letztendlich gewonnen und viele Jahre in Folge immer wieder erhalten. Auf diesen Auftrag und den Empfehlungen durch die Botschaft aufbauend haben wir zusätzlich inzwischen einen großen Kundenstamm bestehend aus vielen einzelnen israelischen Firmen und Investoren aufbauen können.
Aus dem Grund haben wir uns auf die Suche nach weiteren staatlichen Wirtschaftsförderern begeben und somit die taiwanesische Wirtschaftsförderung als Auftraggeber gewonnen, für die wir gegenwärtig auch bereits seit drei Jahren arbeiten. Ein weiterer guter Kontakt besteht beispielsweise zur italienischen Handelskammer, für die ich bereits Vorträge gehalten habe.
Dieses Muster, die Arbeit für und den Kontakt zu Wirtschaftsförderern nachfolgend auf einzelne Unternehmen auszuweiten, versuche ich kontinuierlich weiter zu verfolgen. Der Kontakt zu Multiplikatoren wie IEI, Taitra oder jetzt auch dem EEN ist bei der Erweiterung der sananet und der Internationalisierung immer überaus hilfreich und von großem Mehrwert gewesen.
Hierbei bilden direkte Ansprechpartner, und auf diesen Punkt komme ich nachher noch einmal zurück, für mich grundsätzlich den Schlüssel, das Erfolgsrezept. Alles was bisher mit Blick auf die unternehmerische Internationalisierung erfolgreich war, hat sich aus persönlichen Gesprächen ergeben und war mit direktem Kontakt zu Menschen verbunden.
Unternehmensentwicklung und –kultur werden massiv von der Internationalisierung geprägt. Bei sananet wird daher insbesondere viel Wert auf interkulturelle Kompetenz gelegt. Die Mitarbeiter:innen sind offen für andere Kulturen, denn der Umgang mit Geschäftspartnern aus so unterschiedlichen Ländern wie beispielsweise Israel, Taiwan und dem Baltikum richtet sich grundsätzlich immer nach den jeweils kulturell geprägten Mentalitäten. Darauf muss man sich einlassen und sananet passt sich in dieser Hinsicht immer an den jeweiligen Kunden an. Ich glaube das ist nicht nur auf das Beratungsgeschäft anwendbar. Wenn man international arbeitet, ist es für jede Firma eine Grundbedingung, sich vor allem auch interkulturell auf den Kunden einzustellen.
Wie ist der Kontakt zum EEN HH/SH entstanden und welche Motivation unterlag Ihrer ganz bewussten Wahrnehmung der Beratungs- und Veranstaltungsangebote des Netzwerkes?
Ursprung war der Kontakt zur WT.SH, die früher einmal Beratungskunde der sananet war. Wir haben vor vielen Jahren an einem Scoutingprojekt teilgenommen, bei dem es darum ging, Unternehmensansiedlungen in Schleswig-Holstein gezielt zu fördern. Seitdem besteht zur WT.SH ein sehr guter Kontakt. Auch wenn wir international arbeiten, ist die regionale Vernetzung in Schleswig-Holstein für unsere Unternehmensentwicklung ebenfalls von sehr großem Wert. An dieser Stelle zeigt sich ebenfalls wieder, dass die guten persönlichen Kontakte zu Wirtschaftsförderungen immer ausschlaggebend waren und dazu geführt haben, dass wir über diese gezielt, langfristig erfolgreich akquirieren.
--> https://sananet.com/beratung-medizintechnik/wirtschaftsfoerderung-health-care/
Welche vom EEN angebotenen Kooperationsveranstaltungen waren für die Weiterentwicklung Ihres Unternehmens, vor allem mit Blick auf die Stärkung der internationalen Reichweite von sananet, zum gegenwärtigen Zeitpunkt besonders erfolgreich?
Im Aktuellen Projekt habe ich an den von der WT.SH und der IB.SH organisierten Baltikum-Sprechtagen teilgenommen. In diesem Rahmen wurden sehr zielgerichtete Online-Meetings mit den Ansprechpersonen in den drei baltischen Staaten mit zahlreichen Kontaktmöglichkeiten organisiert. Ich hatte über die estnische Industrie- und Handelskammer noch einen Kontakt und im Endeffekt hat der Austausch für uns zu zwei neuen Kunden in Estland geführt. Das hat sich für mich auch überraschend schnell entwickelt, Vorlaufzeiten sind bei uns im Regelfall deutlich länger. Es war für mich ein überwältigender Erfolg, dass nach Initialgesprächen innerhalb von wenigen Wochen zwei neue Aufträge entstanden sind. Hier war auch die Hilfe der Projektmanagerinnen des Enterprise Europe Network und der estnischen Handelskammer besonders groß. Wir hoffen, dass auf diese Kontakte dann fortlaufend noch weitere folgen, sodass eine langfristige Vernetzung, aufbauend auf diesem positiven Kontakt zur Wirtschaftsförderung, entsteht.
Der direkte Austausch über die Gespräche, die man im Rahmen der Baltikum-Sprechtage führen konnte, war auch in diesem Fall wieder der Erfolgsfaktor.
Welche Art der Unterstützung würden Sie sich mit Blick auf die Erweiterung der internationalen Reichweite von sananet im Idealfall noch wünschen?
Der gute Zugang zu den relevanten Ansprechpartner:innen in den Wirtschaftsförderungen ist auch an dieser Stelle wieder zu nennen.
Die Zusammenarbeit mit den Wirtschaftsförderungen muss gleich am Anfang sehr konkret sein. Es gibt hier zwei Ansätze, die wir verfolgen:
Auf der einen Seite geht es darum, einzelne Medizintechnikfirmen aus dem jeweiligen Land auf den deutschsprachigen Markt zu bringen. Hierbei befindet sich die Wirtschaftsförderung in einer vermittelnden Rolle und unterstützt unsere Arbeit. Da es aber auch Kerngeschäft der Wirtschaftsförderung ist, die Medizintechnik-Firmen aus dem eigenen Land im Export zu fördern, entsteht hier eine Win-Win-Situation.
Auf der anderen Seite ist die Art Arbeit zu nennen, die wir beispielsweise für Taitra oder Israel in Form von business development- und business matchmaking-Projekten übernehmen. Diese laufen über ein ganzes Jahr und die Wirtschaftsförderung selbst ist hier unser Kunde, nicht ausschließlich Vermittler. In diesen Fällen betreuen wir parallel eine größere Zahl von Unternehmen und bieten gezielte Informationsveranstaltungen und Workshops sowie Einzelgespräche an, bei denen wir den Firmen aufzeigen, wie man Zugang zum deutschen Markt erhält. Am Ende führen wir sehr gezieltes matchmaking durch und stellen Kontakte zu Firmen im DACH-Bereich her.
Grundsätzlich bemühen wir uns fortlaufend um weitere Kontakte in Länder, wie wir sie beispielsweise schon mit Israel, Taiwan, Singapur und nun auch den baltischen Staaten aufgebaut haben, in denen die Medizintechnik eine große Rolle spielt und das Innovationspotenzial sehr hoch ist.
Eine Wiederholung des Formats der Baltikum-Sprechtage, möglicherweise auch mit einem Fokus auf andere europäische Regionen wäre sehr wünschenswert, denn das hat wirklich super geklappt.
Persönliche Ansprechpersonen fehlen uns beispielsweise noch in den skandinavischen Ländern. In diesem Bereich wäre die Unterstützung des Enterprise Europe Network zum Beispiel ebenfalls toll.
Bedingt durch Ihre langjährige Berufserfahrung: Welche drei Schlagworte beschreiben Ihrer Meinung nach die langfristig erfolgreiche internationale Erweiterung eines Unternehmens?
Das bezieht sich jetzt auf eine Unternehmensberatung, wird aber bei Hardwareprodukten nicht so viel anders sein:
- Es muss ein echter Nutzen für den Kunden angeboten werden, insbesondere im B2B-Geschäft.
- Man muss als Unternehmen so gut sein, dass man empfohlen wird.
- Die Bereitschaft, sich auf die unterschiedlichen Mentalitäten einzustellen ist grundlegend: Deutschland ist nicht (mehr) der Nabel der Welt.
Bild: sananet, 2023