Das Beste aus Resten: Zelfo Technology forscht an Verpackungen und Paneelen aus Pflanzenfasern

Ein Designer aus London nimmt sich eine berufliche Auszeit. Er bereist mit seiner Frau die Welt. Während einer Station in Berlin passiert er bei einem Ausflug in die Schorfheide radelnd einen alten Wasserturm und die Ruinen einer Villa. Er ist fasziniert. Sie bleiben. Am Ende dieser Geschichte mit dem schönen Anfang steht ein neues Unternehmen nördlich von Berlin. Und was für eins: Die Zelfo Technology GmbH forscht an innovativer Technologie mit Naturfasern. Dafür verwertet das Unternehmen sonst ungenutzte Agrarreste. In einer speziellen und mehrfach patentierten Prozedur, mit eigener Maschine und geheimer Mischung werden Zellulose-Fasern unterschiedlicher Herkunft extrem stabil gemacht. Das gelingt ganz ohne zusätzliche Bindemittel. Richard Hurding, der Radler – und Geschäftsführer von Zelfo Technology –, benennt es so: „aus einem Haar wird ein Busch“ oder auch „die Wunderfaser“. Mit ihr können aus Hopfenabfall (und mehr) die stabilen Pflanztöpfe für den Hopfen hergestellt werden. Ein Hersteller von Obstsalat kann seine Orangenschalen, sonst Abfall, bei der Produktion der Verpackung für den Transport verarbeiten. „Nebenbei“ entstand aus der Radtour noch das Projekt BIORAMA, eine vielbesuchte Aussichtsplattform auf dem Dach des alten Wasserturms. Die Besucherinnen und Besucher können von dort bei klarem Wetter bis nach Polen schauen und zum Berliner Fernsehturm. Aber das ist eine andere Geschichte, die Hurding erzählen kann.

Nachhaltigkeit, Kreativität und Geschäftssinn

Zurück in die Forschungsanlage von Zelfo Technology, die mittlerweile in Schwedt an der Oder beheimatet ist, während die Zentrale des Unternehmens weiterhin in Joachimsthal liegt, genau in dem Wasserturm, der dem Radler ins Auge gefallen war und von dessen Dach man heute in die Weite schaut. Richard Hurding ist von seinem Background Designer, er hat jahrelang für Architekturbüros gearbeitet. Früh hat er sich für Ökologie interessiert, er gestaltete einen der ersten Läden in London für nachhaltige Inneneinrichtung. Als er sich im Jahr seiner beruflichen Auszeit in den Turm in der Schorfheide verliebte und überlegte, was sie dort anstellen könnten, wo es vor allem Pflanzen und Wasser gibt, erinnerte er sich an ein Seminar über Papier während seines Studiums an der Glasgower Kunsthochschule. Er sammelt Ideen, recherchiert und stößt auf eine Firma in Österreich, die in einer sehr einfachen Variante bereits das tut, womit Zelfo Technology heute international erfolgreich ist. Durch einen glücklichen Zufall kann er das Unternehmen mit dessen Patent erwerben. Damit startet die Erfolgsgeschichte.

Gewinner des Innovationspreises in guter Nachbarschaft

Mit Hilfe des ersten Kunden, eines Lizenznehmers aus den Vereinigten Staaten, wurde das Verfahren weiterentwickelt. Seit 2010 ist die Hauptmaschine patentiert. Die insgesamt fünf Patente betreffen sowohl Verfahren als auch Produkte. Seit 2017 gibt es den Forschungs- und Entwicklungsstandort von Zelfo Technology in Schwedt an der Oder. Zusammen mit dem örtlichen Nachbarunternehmen BIO-LUTIONS Deutschland hat man im Herbst des Jahres 2021 den Brandenburger Innovationspreis im Cluster Kunststoffe und Chemie für die innovative Naturfasertechnologie gewonnen. Aus der Preis-Begründung: „Mit dieser können nun unter anderem nachhaltige Verpackungen und Einweggeschirr aus Agrarresten hergestellt werden. Diese nachhaltigen Produkte, hergestellt aus dem eigens entwickelten Naturfasermix, bieten eine optimale Alternative zu gängigen Produkten aus Kunststoff.“ Und für genau dieses Thema brennt Richard Hurding.

Enterprise Europe Network hilft bei der Internationalisierung

Das Geschäftsmodell des Bioökonomie-Unternehmens beruht vor allem auf der Lizenzierung der Verfahren. Kunden dafür hat Zelfo Technology in vielen Ländern. Bei der Internationalisierung unterstützte das Enterprise Europe Network Berlin-Brandenburg, kurz EEN, seit 2014 mehrfach. Hurding hat an Informationsveranstaltungen zur EU-Förderung teilgenommen, an Bioökonomie-Stammtischen und am Biobased Barcamp 2018. Im Oktober 2020 vermittelte das EEN einen Kontakt zu Philips in die Niederlande, die ein Supplier Innovation Event organisierten. In dessen Rahmen wurden unter anderem alternative Verpackungsmöglichkeiten für Endkunden-Produkte gesucht. Zelfo Technology konnte in einem exklusiven Pitch seine biobasierten Alternativen vorstellen. Wo steht das Unternehmen heute in diesem Kontakt? „Es gibt ein gutes Potenzial für eine Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen, einschließlich Materialien und Verpackung. Weitere Entwicklungen sind in der Zukunft zu erwarten“, schätzt Hurding die Lage positiv ein. Für die nächsten Jahre stellt sich das Unternehmen noch stärker auf. Hurding ist dabei, die Zusammenarbeit mit BIO-LUTIONS auf eine neue Stufe zu heben. „Uns verbindet eine langjährige, gute Zusammenarbeit, die wir auch gesellschaftsrechtlich weiter ausbauen werden.“ Ein weiterer Ortsnachbar in Schwedt, die LEIPA Group, spezialisiert auf Papier und Packaging auf Recyclingbasis, plant den Aufbau eines Reallabors am Standort. Zelfo Technology wird der erste Forschungspartner sein.